Update 01.01.2023 / VÖ 14.07.2019
… das ist Thema eines Gastbeitrag.
Gastbeitrag soll heißen, daß ich auf Ihre/Deine Mithilfe angewiesen bin.
Zum Thema passende Konzertberichte, Tickets, Plakate, Fotos sind herzlich willkommen und können den Rückblick ergänzen.
CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL IN DEUTSCHLAND ist lange her.
Insgesamt sieben Konzerte in den Jahren 1970 und 1971.
12. April 1970 Essen, Gruga-Halle
22. April 1970 Berlin, Sportpalast (2 Konzerte)
13. September 1971 Frankfurt am Main, Kongreßhalle (2 Konzerte)
16. September 1971 Berlin, Deutschlandhalle
17. September 1971 Hamburg, Ernst-Merck-Halle.
Bekannte Audio-Aufnahmen gibt es von den Konzerten in
– Essen (12.04.1970)
– Berlin (22.04.1970) und
– Berlin (16.09.1971).
Rückblick
Essen, Gruga-Halle, 12. April 1970
Die Gruga-Halle, deren Bau und Fertigstellung 1956 und 1958 datiert sind, ist eine Multifunktionshalle für Großveranstaltungen verschiedenster Art. Das Fassungsvermögen beträgt je nach Veranstaltung von 7.500 bis 10.000 Besucher. Ihr Name geht auf die „Große Ruhrländische Gartenbau Ausstellung“, abgekürzt GRuGA, zurück. Nach Renovierung und Modernisierung ist die Halle heute Bestandteil der „Messe Essen“.
Veranstalter des ersten Konzertes von CCR in Deutschland war Mallison Managements GmbH & Co. (Konrad Mallison) in Essen.
Guter Rock, wenig gefragt
Die Rolling Stones wußten es wieder einmal schon vorher: You can’t always get what you want! Aber die Idee war trotzdem ausgezeichnet. Nur wurde sie leider – wie die meisten originellen Einfälle – nicht entsprechend honoriert, im Gegenteil: Sie brachte dem, der sie mit abenteuerlichem Wagemut realisierte, ein Defizit von 30.000 Mark ein.
Konrad Mallison, der Veranstalter des ersten Essener Pop & Blues Festivals und damit Initiator des momentan in der Bundesrepublik grassierenden Pop-Festival-Booms, versprach sich eine Sensation, als er für eine Gage von 10.000 Dollar die Creedence Clearwater Revival engagierte, eine der besten und zugleich populärsten amerikanischen Rock-Gruppen. Die Sensation fand auch statt, aber – gemessen an ähnlichen Unternehmungen – praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit.
Ein Publikum, das in Massen zu Popmusik-Festivals pilgert und zufrieden ist, wenn es zweit- und drittklassige amerikanische Bands zuhören darf (namhafte Gruppen wie Procol Harum oder die Kinks sagen nämlich – angeblich in allerletzter Minute – mit penetranter Regelmäßigkeit ab, und die Teilnahme guter amerikanischer Bands wird meist sowieso nur auf allzu geduldigem Papier angekündigt), dies Publikum kam am letzten Sonntag nicht in die Essener Gruga-Halle, um endlich einmal das zu hören, was ihm andernorts ständig versagt bleibt: Rock’n’Roll in einer Form, die nur ganz wenige andere Gruppen so meisterlich berherrschen. Die 3.000 Besucher, die schließlich erschienen, konnten die Gruga-Halle gerade zu einem Drittel füllen. Das finanzielle Desaster wird die Konzertagentur vermutlich noch weiter entmutigen, die wirklich wegweisenden Rock-Gruppen nach Deutschland zu holen.
Dabei wäre schon Wilbert Harrisons legendäre Einmann-Band – selbst für die Eingeweihten der amerikanischen Pop-Szene noch ein Geheimtip – die Reise nach Essen wert gewesen.
Aber auf keinem Plakat konnte man lesen, daß er hier auftreten würde. Auch die zweite Gruppe des Abends, die holländische Blues/Rock-Formation Brainbox, war nicht eigens angekündigt worden.
Offensichtlich verlassen sich die Veranstalter hierzulande nur auf die Popularität einzelner Namen, oder sie bieten Mammut-Shows an, die am Ende nur das Rahmenprogramm zu einem zwei- oder dreitägigen Be-in liefern.
Immerhin gibt es noch die Möglichkeit, Creedence Clearwater Revival jetzt in Berlin live zu sehen.
<Die Zeit, Ausgabe 17.04.1970, Autor des Textes Franz Schöler>
Foto links: In voller Pop-Rock-Aktion: John Fogerty, Sänger und Leadgitarrist, sowie Schlagzeuger Doug Clifford vom Quartett der Creedence Clearwater Revival, mit drei Millionen verkaufter Platten zur Zeit Amerikas beste Rockgruppe.
Foto rechts: Simplen Rock’n’Roll spielen Stu Cook und John Fogerty von der kalofornischen Band Creedence Clearwater Revival.
Trotz Durbridge-Krimi kamen fast 4.000 Fans
50 Minuten Rock mit der „Travelin‘ Band“
Vorprogramm: Wilbert Harrison und Brainbox
Knapp 50 Minuten dauerte am Sonntagabend in der Grugahalle der Auftritt der vier US-Rock-Boys aus San Franzisko: Creedence Clearwater Revival. Trotz Durbridge-Krimi zog die „Travellin‘ Band“ immerhin 4000 Fans an.
Sechzig Minuten sollten sie laut Vertrag auf der Bühne stehen. Doch die John Fogerty, Doug Clifford, Tom Fogerty und Stu Cook schafften ihr Non-Stop-Rock-Programm in kürzerer Zeit – instrumental perfekt, gut aufeinander eingespielt, eben wie echte Profis.
Da blieb kein Gedanke an Zugaben, wie sie einige Fans forderten. Sie hatten ihr Vertrags-Soll erfüllt.
„Das sind clevere Jungen, alle haben studiert, die wissen, was sie wollen“, urteilte Veranstalter Konrad Mallison. „Sightseeing“ steht an erster Stelle auf dem Tournee-Programm der CCR. Sie wollen den alten Kontinent kennenlernen. Daneben geben sie auch noch acht Konzerte, u.a. im Olympia in Paris. Mallison: „In London besuchen die bestimmt das Britische Museum.“
Das Publikum hatte indes viel Spaß an seinen Idolen. Sänger John in dunklen Leder-Jeans mit aggressiver Stimme, der Körper unter echter Pilzkopf-Mähne in ständiger Bewegung. Schlagzeuger Doug hart gegen sich und seine Instrumente. Baßgitarrist Stu und Rhythmusgitarrist Tom mehr verinnerlicht. Eine starke, eine perfekte Band. Aber wie gesagt: 50 Minuten Rock.
Im Vorprogramm: Mr. ‚Kansas City‘ Wilbert Harrison. Seine Ein-Mann-Show ist in den USA sehr bekannt. Der von ihm komponierte und von Canned Heat interpretierte Titel Let’s Work Together zu Beginn des Konzertes. Die CCR hatten Harrison gleich mitgebracht. Aus einem ganzen Katalog von Vorschlägen von der „Travellin‘ Band“ für das Konzert schließlich akzeptiert: Brainbox aus Holland, die auch auf dem 2. Pop & Blues Festival am 24./25. April spielen sollen.
<Tagespresse, Autor des Textes unbekannt>
Clearwater – das war kein Höhepunkt !
Der Ansager, ein eilens herbeigerufener Essener Diskjockey, versprach „dufte Hochstimmung, ha, ha, ha“, doch der Abend mit der kalifornischen „Travelling Band“ Creedence Clearwater Revival in der Grugahalle war nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein künstlerischer Reinfall. Für den Höhepunkt sorgte dagegen die holländische Gruppe Brain Box, die im Beiprogramm spielte.
Das reichlich enttäuschende Beat-Konzert begann mit Wilbert Harrison aus New York, einem Alleinunterhalter mit Schlagzeug,
Gitarre, Mundharmonika und Gesang. Harrison ist ein Abkömmling der schwarzen Straßenmusikanten, die von Ortschaft zu Ortschaft zogen, um das anspruchlose Publikum zu unterhalten. Er spielt den archaischen, ländlichen Blues des Südens.
Eintöniges Repertoire: In sein recht eintöniges Repertoire preßt er bewährte Ohrwürmer wie den klassischen Blues See See Rider und den Beatles-Hit Twist And Shout. Selbst die Eigenkomposition Let’s Work Together, populär geworden durch die kalifornische Blues-Band Canned Heat ist auf dieselbe Weise monoton. Harrison Blues-Schema wirkt auf die Dauer ermüdend. In seinem schleppenden Gesang spürt man das krampfhafte Bemühen, ein Ray-Charles-Gefühl zu erreichen. Es lohnt sich nicht, derart simple Blues-Kunst über den Atlantik zu holen und dem erstaunten europäischen Publikum vorzusetzen.
Die Holländer kamen mit ihrem Repertoire bei weitem zu kurz. Um sie richtig beurteilen zu können, hätte man ihre wahren Hits hören müssen. Aber auch schon so waren sie einige Klassen besser als der sogenannte Höhepunkt Clearwater. Der Vergleich mit Jimi Hendrix trifft auf die Virtuosität dieser Musiker zu. Der harte Blues-Rock wird klar und sauber ausgespielt, darüber liegen die exzentrischen Klänge der Lead-Gitarre.
Eine Traum-Gage: Es war erfreulich, daß die Brain Box bereit war, im Beiprogramm von CCR aufzutreten, denn viele andere Bands hatten sich geweigert, mitzumachen. Schon das sagt genug über die Qualität der Amerikaner aus, die wegen ihres immensen Erfolges in der letzten Zeit eine Traumgage von 12.000 Dollar fordern konnten.
Die Band existiert bereits seit 1959, also länger als die Beatles. Sie lief anfangs unter dem Namen The Golliwogs. Ende 1967 formierte sie sich als Creedence Clearwater Revival. Der neue Name ist bezeichnend für die Musik. „Creedence“ soll einen starken Glauben zum Ausdruck bringen, „Revival“ bedeutet die Wiederbelebung des hämmernden Rock’n’Roll aus schon fast vergessenen Zeiten. Green River kündet wie viele Country-Lieder von der guten alten Zeit, und der neueste Millionen-Hit Travelling Band mutet an wie eine alte Little-Richard-Nummer.
Stumpfsinnig: Das ist stumpfsinnig und nicht einfallsreich. Doch mit der frohen, gehämmerten Botschaft hat die Band nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa großen Erfolg, daran ändert auch nicht der schwache Besuch in der Grugahalle. Die vier ach-so-lustigen Amerikaner wissen, daß ihre Musik einen Rückschritt bedeutet. Darin liegt ihre Arroganz.
<Tagespresse, Autor des Textes Volker Steinhausen>
Rückblick eines Zeitzeugen
Als ich am 12. April mit Konrad Mallisons schönem bronze-farbenen Mercedes 220 S am Ankunfts-Terminal des Flughafen Düsseldorf ankam, warteten schon etliche andere Personen auf die Band CCR.
Soweit ich mich erinnern kann, waren es Leute vom Schallplatten-Label. Ich erklärte ihnen, dass ich vom Veranstalter beauftragt sei, die Band zur Gruga-Halle nach Essen zu fahren. Zur Antwort bekam ich, die Band hätte bereits einen Mercedes 600 Pullman mit Chauffeur bestellt, damit sie stilvoll zur Halle fahren können. Man bot mir an, ich könne als Geleitschutz dem 600er nach Essen folgen. So machte ich es dann.
Mir ist nicht mehr in Erinnerung, ob wir direkt vom Flughaften nach Essen fuhren, oder vorher zu einem Hotel in Düsseldorf und dann nach Essen fuhren.
Wir waren noch nicht halbwegs von Düsseldorf nach Essen gefahren (Anmerkung: Enfernung vom Flughafen zur Halle ungefähr 30 Kilometer), als der schwarze Mercedes 600 Pullman – es war die lange 600er Ausführung – plötzlich auf den Randstreifen der Autobahn fuhr und stoppte. Ich hielt ebenfalls an.
Mir ist nach so vielen Jahren immer noch klar in Erinnerung, wie die beiden hinteren Türen des 600er aufgingen und die vier Bandmitglieder von CCR ausstiegen, auf mich zukamen und bei mir einstiegen.
Drei von ihnen nahmen hinten Platz, einer auf dem Beifahrersitz.
Ich glaube es war John, der neben mir saß und auf Englisch sagte: „The driver is crazy, he rides the bumper of the cars in front. It’s scary!“ Auf Deutsch: „Der Fahrer ist verrückt, der fährt bis auf die Stoßstange des vorausfahrenden Autos auf Es ist beängstigend!“
Wir fuhren gemütlich in Richtung Essen weiter. Unterwegs fragte John, wieso ich so gut Englisch spreche. Ich sagte ihm, daß ich in Kanada wohne und der Veranstalter ein guter Freund aus meiner Jugendzeit ist. Ich sei für die Betreuung der Englisch sprechenden Künstler zuständig. Danach entspannte sich unsere Unterhaltung sehr.
John fragte mich, wo denn die vielen Mädchen am Flughafen geblieben seien. Er habe sie vermisst. Ich sagte ihm, er und CCR müssen wohl bis Stockholm warten. John lachte und gab zur Antwort, dass man ihm schon in Rotterdam gesagt hätte, er müsse sich gedulden bis er in Deutschland ist.
Wir sprachen auch über Autos und John erzählte mir, er hätte zu Hause in den USA einen neuen Pontiac GTO bestellt, ein amerikanisches Muscle-Car. Mir war das Modell bekannt und sagte: „What a great car!“
An der Gruga-Halle angekommen verabschiedeten wir uns und John sagte mir zum Abschied: “ Thanks, Hans. A great ride.“
<Hans-Günter Fracke, Ottawa, im August 2020>
Police on the corner …
Creedence kam auf dem Flughafen in Düsseldorf an. Hier hielt eine übereifrige Polizei die Fans mit Maschinenpistolen in Schach. Nach der obligatorischen Pressekonferenz fuhren sie zur Gruga-Halle in Essen. Der Chauffeuer hatte offentlichtlich keinen blassen Schimmer, wo der Bühneneingang lag. Als die Limousine ankam, wurde die Band von einer Horde Fans umzingelt, die auf dem Auto herumtobten und ihre Idole in ihrem Wagen herumschaukeln ließen. Als die vier schließlich aus dem Auto sprinteten, um in die Halle zu entkommen, wurden sie von einem fetten Türsteher aufgehalten, der die Gruppe nicht von den Fans zu unterscheiden vermochte.
Stu und Tom nahmen Anlauf und rannten das Hindernis über den Haufen. Creedence war von der Atmosphäre in der riesigen Gruga-Halle sichtlich geschockt.
Ein ganzes Batailon von bedrohlich aussehenden Bereitsschaftspolizisten in grünen Ledermänteln mit Helmen und Hunden bewachte das Publikum mit Adleraugen. Während des Konzerts wurden Ordner strategisch plaziert, um die Zuhörer auf ihren Plätzen zu halten. Einige Fans, die trotzdem versuchten, ihr Tanzbein zu schwingen, wurden von den Ordnern rüde vor die Türe gesetzt. Leute, die absolut keine Gewalt im Sinn hatten, wurden brutal geschlagen. Das Ganze wirkte wie eine Konfrontation zwischen der Polizei und dem Publikum, zu der Creedence lediglich die Hintergrundmusik lieferte. Da sich die fröhlichen Songs der Band nicht als Militärmusik eigneten, blieb die Schlacht glücklicherweise aus. Etwas genervt von den deutschen Organisations-
methoden flog die Gruppe nach London weiter.
<Auszug aus dem Buch „Rocking All Over The World“ von Peter Koers, Sonnentanz-Verlag, 1994>
Polizei und Schäferhunde
Am nächsten Tag flogen sie von Amsterdam nach Deutschland. Das Hotel der Band war in Düsseldorf, der Veranstaltungsort jedoch in Essen, etwa fünfzehn Minuten entfernt. Sie verbrachten den Nachmittag damit, sich mit der deutschen Presse zu treffen. Anschließend machten sie sich auf den Weg in die Gruga-Halle.
„Es war eine der schlimmsten Fahrten, die wir je hatten.“ erinnerte sich Stu Cook in einem Interview mit dem Rolling-Stone-Magazin.
„Als wir ankamen,“ berichtete der damalige CCR-Newsletter Fifth St. Flash, „war die Limousine sofort von hundert begeisterten Fans umringt, die über die Stoßstangen und den Kofferraum kletterten und das Auto heftig erschütterten. Es machte ihnen riesigen Spaß, aber ich muss zugeben, dass ich ein bißchen Angst hatte. Roadmanager Bruce Young stieg irgendwie aus dem Auto. Er kam nach zehn Minuten zurück.“
Bruce hatte es geschafft alle aus dem Auto zu holen. Die Band fühlte sich in den Film „Help!“ von Beatles versetzt und rannte auf die Türe der Gruga-Halle zu. Ihnen dicht auf den Fersen eine Horde begeisterter Fans.
Tom Fogerty sagte: „Ich drehte mich um und sah Tausende von Menschen auf mich zukommen und am anderen Ende stand ein großer deutscher Schäferhund und ein Polizist zwischen uns und der Eingangstüre.“
In der Halle angekommen machten CCR ihre Show.
„Nicht alles lief friedlich ab. Es gab kleinere Raufereien und das Bild war von einem Heer an Polizisten (mitsamt Hunden) geprägt. Dennoch ist das Konzert gut gelaufen.“ berichtete der Fifth St. Flash Newsletter.
Um die Ordnung in der Halle aufrechtzuerhalten, drückte die Polizei die Konzertbesucher nieder oder schlug sie mit Knüppeln, die während des Konzertes versuchten zu tanzen.
John Fogerty sagte: „Sie sollten für Ordnung sorgen, aber die Angst in der Halle verbreitete die Polizei.“
<Auszug aus dem Buch „Bad Moon Rising – The Unofficial History Of Creedence Clearwater Revival“ von Hank Bordowitz, Schirmer Books, 1998>
Don’t go around tonight oder Uli, CCR und der böse Mond
Essen, Katernberg, Sonntag der 12. April 1970
Uli folgte dem Aufruf zu einem „Gastbeitrages“ und erzählte uns nach über fünfzig Jahren seine ganz persönliche Geschichte, wie das so war und was er an diesem Tag erlebt hatte.
Gerade mal 15 Jahre alt lebte Uli mit seinen Eltern in Katernberg im Essener Stadtbezirk VI. Sein Elternhaus stellte die typische Arbeiterfamilie im Ruhrpott dar.
In Deutschland, dem Wirtschaftswunderland, ging es weiter bergauf.
Rot-Weiß Essen spielte als Liga-Neuling in der Fußball-Bundesliga.
Schwarz-Weiß Essen weiterhin in der Regionalliga West (zweitklassig).
Volljährig wurde man mit Vollendung des 21. Lebensjahres.
Uli war musikbegeistert, hörte am liebsten CCR, Creedence Clearwater Revival. Und ausgerechnet die kamen nach Essen, in die Stadt wo er wohnte.
Im Elternhaus von Uli waren war poluläre Musik nicht angesagt. Ein offenes Ohr für sein Faible an Rock- und Pop-Musik hatten Vater und Mutter nicht. Und die Aussicht auf Unterstützung, das Konzert am Sonntag besuchen zu dürfen, wäre wohl bei null gewesen, hätte er gefragt.
Uli fragte auch nicht. Uli machte sich selbst seinen Plan.
„Geheimkommando CCR“.
In der Stadt kaufte er sich ein Ticket für das Konzert in der Gruga-Halle.
Der große Tag kam und sein Abenteuer sollte beginnen.
Niemand wußte Bescheid. Uli machte sich alleine auf den Weg und fuhr mit der Straßenbahn einmal quer durch Essen. Das sind vom nordöstlich gelegenen Katernberg bis zur Gruga-Halle mehr als zehn Kilometer.
Große Vorfreude, riesige Anspannung. Gleich würde er seine Lieblingsband CCR, die er ja nur aus dem Radio kannte, in echt und live auf der Bühne sehen.
Der Konzertabend begann mit einer Vorband. Es spielte der Alleinunterhalter Wilbert Harrison. „Hoffentlich dauert das nicht zu lange.“ dachte sich Uli.
Es folgte eine zweite Vorband. Brainbox aus Holland. „Oh, nein. Das darf doch nicht wahr sein.“ ging es Uli durch den Kopf.
CCR kamen und kamen nicht. Und Uli rannte die Zeit davon.
Die letzte Straßenbahn Sonntag Nacht nach Katernberg fuhr pünktlich um 22.00 Uhr, und die wollte Uli auf keinen Fall verpassen. Er mußte diese Bahn nehmen, denn sonst hätte er die zehn Kilometer nach Hause laufen müssen.
Die Eltern im Ungewissen lassen und erst am frühen Morgen nach Hause kommen, das wollte Uli auf gar keinen Fall. Mal kurz die Mama anrufen, keine Chance, zu Hause gab’s leider noch kein Telefon.
Die Zeit reichte nicht mehr für CCR. Kurz vor zehn Uhr ist Uli zur Haltestelle gegenüber der Halle gelaufen und mit der letzten Straßenbahn nach Katernberg gefahren.
„Don’t go around, it’s bound to take your life,
There’s a bad moon on the rise.“
Ulis Traum CCR live zu erleben erfüllte sich leider nicht.
Sein Plan ging nicht auf. Harrison, Brainbox und der sprichwörtlich böse Mond standen ihm an diesem Sonntag Abend im Weg.
<Uli H., Essen, im September 2021>
Setliste: Born On The Bayou, Green River, Tombstone Shadow, Travelin‘ Band, Fortunate Son, Commotion, The Midnight Special, Bad Moon Rising, Proud Mary, The Night Time Is The Right Time, Down On The Corner, Keep On Chooglin‘ (Thomas „The Piper“, setlist.fm).
Es gibt den Hinweis, dass auch Who’ll Stop The Rain bei diesem Konzert gespielt wurde; das ist jedoch durch verschiedene Quellen nicht bestätigt.
Berlin, Sportpalast, 22. April 1970
Der Sportpalast war im westlichen Berliner Stadtteil Schöneberg. Gebaut 1910, im Krieg 1944 den Bomben zum Opfer gefallen, danach wieder aufgebaut wurde er 1973 abgerissen. Er bot Platz für 10.000 Besucher bei Sportveranstaltungen, politische Kundgebungen, Kulturveranstaltungen.
Peter Hauke Managements war Veranstalter des zweiten und dritten Konzertes von CCR. Es wurde am selben Tag nachmittags und abends gespielt.
Clearwater-Band in Deutschland – Viele Treffer
Sie spielen schon länger zusammen als die Beatles. Und elf Jjahre lang kannten sie nur ein Ziel: den Durchbruch. Jetzt ist er erreicht.
In der wöchentlich publizierten Bestsellerliste „Hot 100“ des US-Fachblattes „Billboard“ wurde die Band – mit weitem Abstand vor den Beatles – 1969 insgesamt 110mal genannt. Das bedeutet: Jede Woche waren durchschnittlich zwei ihrer Stücke unter den Hits.
Das macht, so glaubt Band-Boss John Fogerty, 24, vor allem der Name: „Das ist unser Talisman.“
„Creedence“ ist eine Verbindung der Wörter „creed“ (Glaube) und „creedence“ (Vertrauen). „Clearwater“, inspiriert von einer Bierreklame im US-Fernsehen, soll etwas Tiefes, Wahres, Reines in unserer Musik symbolisieren. „Revival“ bedeutet Wiedergeburt oder Neubeginn.
Und einen Neubeginn hatten die Musiker vor zweieinhalb Jahren, nach ihrem Militärdienst, in der Tat nötig. Bis dahinnämlich, bis sie in einem Waldhaus in den kalifornischen Bergen sechs Monate lang ein Blues- und Rock-Repertoire einstudierten, war ihr Stil „nichts weiter als Mickeymaus-Musik“ (Zitat: Fogerty).
Mit 13 hatten sie in weißen Dinnerjacken und mit akkurat gebundenen Krawatten als „Blue Velvets“ bei Schülerfesten und Tanzstundenbällen aufgespielt. Später stülpten sie sich komische Hüte auf den Kopf und nannten sich „The Golliwogs“. Und wenn in den Kleinstadt-Kneipen und Ausflugslokalen – wie meistens – kein Mikrophon zur Hand war, brüllte Sänger Fogerty die beliebtesten Schlager so laut, dass sein Organ auch im Gläserklirren und Stimmengewirr noch zu hören war. Das Training kommt ihnen heute zugute.
Fogerty singt so durchdringend, die Band rockt so kräftig, dass ihre Musik selbst im billigsten Transistor-Radio akzeptabel klingt
Und mag auch der phantasievolle Name dazu beitragen – populär wirden sie vor allem, weil nun endlich die musikalische Richtung stimmt.
Nach elektronischen Abenteuern und psychedelischen Exsessen, so scheint es, verlangen die Rock-Fans nun wieder nach einfacher Kost. Sie schätzen rustikale Western-Songs, bevorzugen Blues und lieben die schöne Primitivität des Rock’n’Roll. Mit alledem werden sie von „Creedence Clearwater Revival“ trefflich bedient.
Foto: Creedence Clearwater Revival-Band: Ochsenfrösche in Ohio
Bei dieser Band ist nicht von Politik, Sex und Drogen die rede, sie schildert das Amerika von Mark Twain: den alten Raddampfer „Proud Mary“ auf dem „Green River“ Mississippi, die Fischer und Ochsenfrösche des Ohio und den „bösen Mond“, der über den Pinien- und Mangroven-Sümpfen Louisianas scheint.
In ihren Konzerten, so zeigten die vier am letzten Mittwoch im Berliner Sportpalast, wird wenig improvisiert, und kaum ein Stück ist über vier Minuten lang. „Wir versuchen“, sagt Fogerty, „so viele Treffer wie möglich zu landen.“ Das hat sich bewährt.
In wenigen Monaten stieg ihre Abendgage von 100 auf 100.000 Mark. Statt in einer Holzhütter proben sie jetzt in einem ehemaligen Lagerhaus in Berkeley, das Fogerty in ein „Hauptquartier“ mit Büros, Studios, Farbfernseh-
geräten, Coca-Cola-Automaten, einer Küche, einer Basketballhalle und Parkräumen für ihre Porsches umgewandelt hat.
Doch so sehr sie einst in ihren düsteren Kellerwohnungen diesen Reichtum herbeigesehnt haben, so intensiv bemühen sie sich jetzt, nicht daran zu denken.
„Ich sehe“, erklärt John Fogerty, „die Welt noch immer durch die Augen des Proletariats. Wer nur an die Moneten denkt, dem fällt musikalisch überhaupt nichts mehr ein.“
<Der Spiegel, Nr. 19 vom 4. Mai 1970>
An Lenins 100. Geburtstag ….
Weiter ging es nach Berlin, wo die Band einen Abstecher in den östlichen Teil der Stadt unternahm. Sie hatten Lenins hundertsten Geburtstag erwischt und erlebten ein unvergeßlichen Tag der Militärparaden, Flaggen und Spruchbänder. Doug Clifford berichtete: „Alles hier in Deutschland ist so militärisch orientiert, das gilt für den Osten und den Westen. Der Lebensstil scheint so verdammt aggressiv zu sein. Sie scheinen absolut keinen Sinn für Humor zu haben. Die einzigen Gefühle sind Angst, Argwohn und Gewalt. Sonst gibt es nichts. Was für eine fürchterliche Art zu leben.“
Das Konzert im Berliner Sportpalast war, trotz der bis an die Zähne bewaffneten Spezialeinheiten der Polizei, die auch hier bereitstanden, ein positives Erlebnis, wie John Fogerty einem Reporter berichtete. „Das einzig Gute in Berlin war das Konzert, es war ein wirklich gutes Publikum, das mich ziemlich an die Leute im Fillmore West erinnerte.“
<Auszug aus dem Buch „Rocking All Over The World“ von Peter Koers, Sonnentanz-Verlag, 1994>
CCR und Ost-Berlin ?
Die Band flog für zwei Konzerte nach West-Berlin. Sie spielten im Sportpalast, einem Gebäude, das Hitler für Kundgebungen bevorzugte. Sie erreichten die Stadt zu Lenins Hundertjahrfeier. Durch die mit Flaggen geschmückten Strassen zogen viele Paraden. Die Band und auch die Crew empfanden die Stimmung als deprimierend. „Die Leute konnten ihre Verzweiflung nicht verbergen. Das sahen wir in ihren Gesichtern. Gezieltes Lächeln und Winken. Das muss man nicht wirklich sehen.“ schrieb der Fifth St. Flash.
(Anmerkung: Im Originaltext steht fälschlicherweise Ost-Berlin und es ist von einem Konzert die Rede. Richtig sind West-Berlin. Und die Band spielte am selben Tag zwei Konzerte. – In der Übersetzung sind die Fehler korrigiert.)
<Auszug aus dem Buch Bad Moon Rising – The Unofficial History Of Creedence Clearwater Revival, Hank Bordowitz, Schirmer Books, 1998>
Setliste: Born On The Bayou, Green River, Tomstone Shadow, Travelin‘ Band, Fortunate Son, Commotion, The Midnight Special, Bad Moon Rising, Proud Mary, The Night Time Is The Right Time, Good Golly Miss Molly, Keep On Chooglin‘ (RRR, setlist.fm)
Hier endet die Vorschau.
Zur Fortsetzung des Themas CCR IN DEUTSCHLAND lade ich jeden herzlich ein, der etwas dazu beitragen kann. Zeitungsberichte, Konzertplakate, Konzertfotos und dgl. mehr sind willkommen.
Quellennachweise: Der Spiegel, Die Zeit, Peter Koers (Rocking All Over The World), Hank Bordowitz (Bad Moon Rising – The Unofficial History of CCR),
RRR RealRockRecords, Rock In Berlin, setlist.fm.
Besonderen Dank für die Mithilfe an Hans-Günter, Ivo, Konrad, Thomas „The Piper“ und Uli.
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